Die Filmkabine


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Ein Kleinod mit Geschichte! Die Filmkabine von Bertolt Brecht, rückseitig angebaut zum Berliner Ensemble, gehört zum Eigentum der Koepjohann'schen Stiftung. Brecht nutze diesen kleinen Anbau für Filmsequenzen und Fotoprojektionen auf der Bühne aber auch für Filmvorführungen im Theater. Seit Jahren befindet sich die Filmkabine im Dornröschenschlaf. Nun gibt es Überlegungen, diesen kulturhistorischen Bau instand zu setzen und zu nutzen. In einem ersten Salon zum Brecht-Filmhäuschen tragen Interessierte aus Kultur, Politik, Behörden und direkter Nachbarschaft erste Ideen für ein Nutzungskonzept zusammen.

 

Die Geschichte der Filmkabine

Autor: Wolfgang Feyerabend

Im Hof Albrechtstraße 15 befindet sich ein nicht mehr genutzter Anbau, dessen Alter und Funktion sich nicht ohne Weiteres erschließt. Stallung oder Wagenremise scheiden aus, da das Bauwerk in luftiger Höhe an der Rückwand des Nachbarhauses hängt und Zugang nur über eine (inzwischen fehlende) Notleiter gewährt. Als Werkstatt ist es wiederum zu klein und durch ein winziges Fenster auch mehr schlecht als recht beleuchtet. Allenfalls lassen sich im Inneren Tätigkeiten vorstellen, die des Halbdunkels bedurften. Der Fantasie bleibt überlassen, welche genau.

Die Fama hat daraus Bertolt Brechts „Liebesnest“ gemacht. Wofür wenig spricht, wenngleich ein Zusammenhang mit dem weltbekannten Dichter und Dramatiker in der Tat besteht. Helene Weigel, Brechts Frau, ihres Zeichens Intendantin des Berliner Ensembles (BE), bat nach Übernahme des Theaters am Schiffbauerdamm im Herbst 1953 darum, ein Filmvorführhäuschen auf besagtem Grundstück in der Albrechtstraße erbauen zu dürfen. Die Größe der Filmvorführgeräte wie auch der Brandschutz erlaubten es nicht, diese im Bühnenrückraum aufzustellen. Am 9. November des Jahres erklärte die Koepjohann'sche Stiftung gegenüber dem Bauaufsichtsamt Berlin-Mitte ihr Einverständnis. Bereits einen Tag später lag der Nutzungsvertrag zwischen BE und Stiftung vor. Bei einer Monatsmiete von 10 DDR-Mark und der Verpflichtung, die Baukosten selbst zu tragen sowie künftige Instandsetzungen aus eigenen Mitteln vorzunehmen, erhielt das Berliner Ensemble – für zunächst neun Jahre mit halbjähriger Kündigungsfrist – uneingeschränktes Nutzungsrecht über den noch zu errichtenden Anbau.

Planung und Ausführung der Filmkabine, wie sie in den Unterlagen meist genannt wird, oblag der Baufirma Gerhard Thiele aus der Friedrichshainer Scharnweberstraße. Es entstand eine verputzte Stahlrahmenkonstruktion mit verzinktem Zeltdach, die auf zwei gemauerten, mit kapitellähnlichen Ziegelprofilen ausgestatteten Pfeilern ruht. Diese, so die Vermutung der Denkmalpflege, könnten zu einem älteren, dekorativen Hofgebäude gehört haben. Die Fertigstellung erfolgte pünktlich mit der Neueröffnung des Theaterhauses im Frühjahr 1954.

Wozu aber bedurfte es des Filmvorführhäuschens in dem bekanntlich nicht als Lichtspiel-, sondern Sprechbühne dienenden Hauses? Lange vor seinem Exil und der Arbeit als Drehbuchautor für Hollywood hatte sich Brecht für das Medium Film interessiert. Seine Konzeption eines epischen oder, wie er es später nannte, dialektischen Theaters griff die neuen technischen Möglichkeiten auf, die der Film bot. Filmsequenzen oder Fotoprojektionen wurden von ihm als Verfremdungseffekte in die Inszenierung der Stücke eingebaut, um die Zuschauer immer wieder aus der Handlung zu reißen und ihnen Gelegenheit zu geben, über das eben Gesehene und Gehörte nachzudenken. Auch seinen Songs kam diese Aufgabe zu. Nicht zuletzt sah sich Brecht mit seinen Mitarbeitern gern Filme im eigenen Theater an, vor allem auch jene, die in der DDR nicht gespielt werden durften.

Am 4. März 1998 informierte der Geschäftsführer des Berliner Ensembles die Koepjohann'sche Stiftung darüber, dass die Filmkabine nicht mehr genutzt und von Seiten des Theaters deshalb die Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt angestrebt werde. Bis zur Beendigung des Vertrags vergingen allerdings noch einmal vier Jahre. Danach blieb das Filmvorführhäuschen sich selbst überlassen. Zum vorgesehenen und vom Landesdenkmalamt bereits genehmigten Abriss kam es dennoch nicht, da sich die Stiftung aus kulturhistorischen Erwägungen heraus für dessen Erhalt einsetzte.

Glücklicherweise! So dürfen weiterhin Geschichten um den Lebemann Brecht und das pittoreske Bauwerk auf dem Hof gesponnen werden. Und um ehrlich zu sein, einen wahren Kern hat jede Legende doch. Oder?