Historisches Archiv
20. Jahrhundert
Zeitgeschichte · Kirchengeschichte · Stiftungsgeschichte
1904/1905
Als letztes der Stiftungsgrundstücke wird das Areal Albrechtstr. 13/Schiffbauerdamm 8 nach einem Entwurf und unter der Bauleitung der Architekten Kurt Berndt (1863-1925) und Paul Zimmerreimer (1875–1943) bebaut. Zugleich wird der Vorhof der Häuser Albrechtstr. 13/14 als Gartenhof angelegt und gestaltet. Der Hof ist heute als Gartendenkmal ausgewiesen.(38)
1910
Zweiter Nachtrag zum Reglement der Stiftung. Die Aufwandentschädigung für die geistlichen Administratoren wird angehoben.(39)
1912
Die Sophiengemeinde begeht ihr 200-jähriges Bestehen. In der Festschrift wird neben den acht wohltätigen Stiftungen, die vom Gemeindekirchenrat verwaltet werden, auch die Koepjohann’sche Stiftung gewürdigt. Die aktuelle Bilanz weist aus: 109 Witwen aus der Verwandtschaft des Stifters und ihre minderjährigen Kinder werden mit insgesamt 26.500 Mark im Jahr laufend unterstützt. Außerdem beziehen 255 Witwen aus der Sophiengemeinde, 26 Witwen aus der Philippus-Apostelgemeinde und 11 Witwen aus der Johannes-Evangelist-Gemeinde rund 23.360 Mark an Unterstützungsgeldern.(40)
1914 bis 1918
Erster Weltkrieg:
Mit der sich verschlechternden wirtschaftlichen Lage nach Beginn des Ersten Weltkriegs setzt die Stiftung viele der Mieten herab, um noch größere Verluste durch Leerstand zu vermeiden. Sie gewährt auch aus sozialen Gründen Mietnachlässe, wenn Männer zum Kriegsdienst eingezogen wurden und die Familien damit weniger Einkommen haben.(41)
1918/1919
November-Revolution in Berlin, Sturz der Monarchie und Gründung der Weimarer Republik.
1923
Mit dem Grundbesitz als wichtigstes Stiftungskapital übersteht die Koepjohann’sche Stiftung die große Inflation relativ unbeschadet. Allerdings können, wie schon in den Kriegsjahren, keine Investitionen zum Erhalt der Häuser getätigt werden.(42)
1926
Nach mehrjähriger Unterbrechung in Folge des Krieges und der schwierigen wirtschaftlichen Entwicklung nach dem Krieg werden die Unterstützungszahlungen an die Koepjohannitinnen zu Weihnachten wiederaufgenommen. Die Zahlungen belaufen sich vorerst auf 50 Prozent der alten Beträge, steigen dann aber kontinuierlich an.(43)
1933
Machtübernahme der Nationalsozialisten und Errichtung der Diktatur
1933 bis 1936
Das Kuratorium gewährt vielen Mietern, die wegen der anhaltenden Wirtschaftskrise in Zahlungsschwierigkeiten geraten sind, Mietnachlässe, auch um Leerstand und gänzliche Mietausfälle zu vermeiden. Auch jüdischen Mietern, die unter der beginnenden Verfolgung und wirtschaftlichen Ausgrenzung durch das NS-Regime zu leiden haben, werden die Mieten nachgelassen.(44)
1938
Die Stiftung weist die Aufforderung staatlicher Stellen zurück, die aus Eisen gefertigten Gartenzäune durch Hecken zu ersetzen und das Eisen abzugeben. Hintergrund ist der große Bedarf der NS-Rüstungswirtschaft an (Alt-)Metallen. Die Stiftung will mit dem Abbau der Zäune warten, bis dies gesetzlich vorgeschrieben ist.(45)
1939 bis 1945
Zweiter Weltkrieg
1943/1944
Bei mehreren Luftangriffen werden die Mietshäuser und die Baulichkeiten auf dem Grundstück Albrechtstr. 9/10 teilweise schwer beschädigt.(46)
1945
Ende des Zweiten Weltkriegs. Befreiung vom Nationalsozialismus. Deutschland und Berlin werden in vier Besatzungszonen geteilt. Das Stiftungsgebiet liegt in der sowjetischen Besatzungszone.
Die Koepjohann’sche Stiftung verliert bei den Kampfhandlungen zum Ende des Krieges ihre beiden geistlichen Administratoren. Ende des Jahres sterben einer der Laienadministratoren und der langjährige Hausverwalter. Die Stiftung wird nur kommissarisch verwaltet. Die Unterstützungszahlungen an die Koepjohannitinnen müssen wegen der unzureichenden Finanzlage ausgesetzt werden.(47)
1946
Große Probleme bereitet wegen des Materialmangels und der schlechten Qualität des lieferbaren Baumaterials die Beseitigung der Kriegsschäden an den Häusern.(48)
1948
Währungsreformen in den Westzonen und der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ). Die Stadt ist in zwei Währungsgebiete geteilt. Blockade der West-Sektoren Berlins durch die Sowjetunion. West-Berlin wird bis Mai 1949 durch die Luftbrücke versorgt. Spaltung der Stadtverwaltung und städtischen Institutionen.
Im Dezember findet die erste Adventsfeier für die Koepjohannitinnen seit dem Ende des NS-Regimes statt. Eingeladen sind nur Witwen aus der Nachkommenschaft des Stifters. Von nun wird die traditionelle Adventsfeier wieder jährlich durchgeführt.(49)
1949
Gründung der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), Ost- Berlin wird Hauptstadt der DDR.
1950
Die drei Gemeinden im Stiftungsgebiet zählen 22.155 Mitglieder – gegenüber rund 32.600 im Jahr 1939.(50)
1951
Zu der Adventsfeier sind zum ersten Mal seit 1945 auch Witwen aus den drei Gemeinden Sophien, Philippus Apostel und Johannes Evangelist geladen.(51)
1952
Das Kuratorium beschließt einen dritten Nachtrag zu den Bestimmungen über die Verwaltung der Koepjohann’schen Stiftung, mit dem u.a. festgelegt wird, dass die Auszahlung der Unterstützungen nur mehr jährlich erfolgen soll.(52)
1953
17. Juni: Aufstand gegen die SED-Diktatur in der DDR. Der Aufstand wird blutig niedergeschlagen.
um 1960
Auf dem Stiftungsgrundstück Albrechtstr. 9/10 wird die Ruine des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Gartenpavillons des Wartenberg’schen Palais, des so genannten Geisterpavillons, abgerissen. Damit verschwinden auf dem Stiftungsbesitz die letzten baulichen Zeugnisse aus dem 18. Jahrhundert.(53)
1961
13. August: Bau der Berliner Mauer. Für die DDR-Bürger wird der letzte Weg in den Westen versperrt.
1963/1964
Trotz vieler Investitionen in den Erhalt der Häuser sind noch immer nicht alle Kriegsschäden beseitigt. Der bauliche Zustand macht eine Grundinstandsetzung erforderlich. Da die staatlich festgelegten Mieten (die noch auf Vorkriegsniveau liegen) zu wenig Erträge abwerfen, muss die Stiftung zur Finanzierung Kredite aufnehmen.(54)
1965 bis 1967
Wohnungen und Häuser werden gründlich instandgesetzt. Wegen Materialmangels und fehlerhafter Planunterlagen der staatlichen Stellen müssen die Arbeiten immer wieder unterbrochen werden. Im Haus Albrechtstr. 13/Schiffbauerdamm 8 bleiben die Arbeiten am Dach und den Schornsteinen unerledigt.(55)
1973
Erst jetzt werden die Schäden am Dach Albrechtstr. 13/Schiffbauerdamm 8 beseitigt, da in den zurückliegenden Jahren die Stiftung trotz Dringlichkeit in den staatlichen Plänen nicht berücksichtigt wurde.(56)
1974
In den Kellerdecken im Haus Albrechtstr. 14 zeigt sich Schwammbefall. Da zur Beseitigung der Schäden zuvor die Projektierung und Einplanung bei den staatlichen Stellen erforderlich ist, müssen die Decken provisorisch abgestützt werden.(57)
1977
Endlich können die Instandsetzungsarbeiten an den Kellerdecken im Haus Albrechtstr. 14 begonnen werden. Da die Schäden größer als erwartet sind, ziehen sich die Arbeiten bis 1978 hin.(58)
1978
Die St. Johannes-Evangelist-Gemeinde wird aufgelöst und unter den drei Nachbargemeinden aufgeteilt. Die Rechtsnachfolge und damit der Besitz der Kirche werden der Sophiengemeinde übertragen.(59)
1981 bis 1989
Infolge des Alters der Häuser – die ältesten sind rund 120 alt – sind immer mehr Reparaturen und Instandsetzungsarbeiten erforderlich. Dabei bemüht sich die Stiftung, die Wohnungen nach und nach mit modernem Standard auszustatten. Die notwendigen Arbeiten verzögern sich auch, da die Stiftung in den staatlichen Plänen oft nicht berücksichtigt wird. Große Probleme und zusätzliche hohe Kosten bereiten zudem die schlechte Qualität der Baumaterialien und die oft schlechte Ausführung der Arbeiten. Ein großer Teil der Mieter trägt durch gezielte Eigenleistungen dazu bei, dass notwendige Instandsetzungen möglichst kostensparend realisiert werden können.(60)
1984
Die Stiftungsgebäude Schiffbauerdamm 8/Albrechtstr. 13/14/15/16 werden als Baudenkmal in die Kreisdenkmalliste der DDR eingetragen.(61)
1988
Die Hofflächen der Häuser Schiffbauerdamm 8/Albrechtstr. 13/14 werden denkmalgerecht rekonstruiert. Große Teile der Arbeiten werden von den Mietern unentgeltlich in Eigenleistung erbracht.(62)
1989
Friedliche Massenproteste der DDR-Bürger führen zum Sturz der SED-Diktatur.
1990
Freie Wahlen in der DDR stellen die Weichen in Richtung Wiedervereinigung. Nach der Wirtschafts- und Währungsunion zum 1. Juli folgt mit dem Beitritt der DDR am 3. Oktober die staatliche Wiedervereinigung.
Mit den Wahlen zum Abgeordnetenhaus von Berlin am 2. Dezember 1990 verfügt die so lange geteilte Stadt wieder über eine einheitliche Stadtregierung und -verwaltung. Auch in der Evangelischen Kirche werden die getrennten Verwaltungen wieder zusammengeführt.
Der Runde Tisch des Stadtbezirks Mitte stellt Teile des Bezirks, darunter auch die Spandauer Vorstadt, als Flächendenkmal unter Schutz.
1990
Die Stiftungsverwaltung bereitet den Übergang zu den neuen Währungs- und Wirtschaftsverhältnissen vor. Bis Mitte des Jahres werden die begonnenen Instandsetzungsarbeiten zu Ende gebracht und sämtliche Schulden der Stiftung getilgt. Nach der Wirtschafts- und Währungsunion zum 1. Juli 1990 gerät die Stiftung in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Den gleichbleibenden Mieteinnahmen der letzten DDR-Jahre stehen die aktuellen Marktpreise für Handwerks- und Dienstleistungen gegenüber. Um die Liquiditätsschwierigkeiten zu beseitigen, nimmt die Stiftung staatliche Fördermittel in Anspruch.(63)
1991
Der Bundestag beschließt, den Sitz von Bundesregierung und Parlament von Bonn nach Berlin zu verlegen. Die Friedrich-Wilhelm-Stadt rückt damit in unmittelbare Nähe zum zukünftigen Regierungsviertel und wird eines der attraktiven Wohn- und Geschäftsviertel Berlins.
Das Kuratorium beginnt mit der Ausarbeitung einer neuen Satzung, die den jetzt geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen angepasst werden muss.
Zur Sanierung der Gebäude erteilt das Kuratorium einen Generalauftrag an ein Bauunternehmen. Der Auftrag umfasst den Wiederaufbau des Eckturmes Schiffbauerdamm 8 und die Modernisierung, Renovierung und Restaurierung sämtlicher Gebäude.
Zum 1. Oktober hebt die Stiftung die Wohnungsmieten in ihren Häusern an, die bis dahin noch auf DDR-Niveau liegen. Damit entspannt sich die schwierige finanzielle Lage der Stiftung.(64)
1992
Die Stiftung begeht mit einer Feierstunde in der Sophienkirche, einem stillen Gedenken am Grab des Stifters und einer anschließenden Dampferfahrt ihre 200-Jahr-Feier.(65)
1993
Die Spandauer Vorstadt wird zum Sanierungsgebiet erklärt. Damit stehen erhebliche Fördermittel für die Sanierung der Häuser und dem Ausbau der Infrastruktur bereit.
Die umfangreichen Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen werden fortgesetzt und als weitere Baumaßnahmen Ausbau bzw. Rekonstruktion der Dachgeschosse beschlossen.
Im September genehmigt nach fast dreijährigen Verhandlungen die Senatsverwaltung für Justiz die neue Satzung in ihrer 10. überarbeiteten Fassung, die den geänderten rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen angepasst ist. Unter anderem werden die historischen Bezeichnungen „Administratoren“, „Kuratorium“ und „Kuratoren“ durch „Vorsitzender des Vorstandes“, „Vorstand“ und „Mitglieder des Vorstands“ ersetzt.(66)
1994
Die Stiftung feiert mit einem Festakt ihr erstes Richtfest seit Ende des Zweiten Weltkriegs für den Ausbau der Dachgeschosse in den Häusern Albrechtstr. 15/16.(67)
1995
Die Stiftung gerät in anhaltende Liquiditätsschwierigkeiten, da durch Fehlplanungen die Einnahmen geringer ausfallen als vorgesehen, die Kosten hingegen die Planansätze erheblich übersteigen. Der Vorstand sichert mit großem persönlichem und zeitlichem Einsatz die Weiterarbeit der Stiftung.(68)
1996
Die Friedrich-Wilhelm-Stadt wird durch eine städtebauliche Erhaltungsverordnung geschützt.
Die denkmalgerechte Renovierung der Fassaden und Treppenhäuser der Gebäude Albrechtstr. 15/16 und die gärtnerische Neugestaltung der Außenanlagen und Innenhöfe, für die der Senat von Berlin Fördermittel bereitgestellt hat, werden abgeschlossen.(69)
1997
Um eine nachhaltige Sanierung der Stiftungsfinanzen zu erreichen, beschließt der Vorstand den Verkauf des Grundstücks Albrechtstr. 9/10 für 12,5 Millionen DM. Von den Bemühungen das Grundstück in Erbpacht zu vergeben, muss die Stiftung Abstand nehmen, da die Erbpachterlöse nicht ausreichen würden, die benötigten Finanzmittel zu erbringen.(70)
1998
Im Oktober feiert die Stiftung das Richtfest für den Dachausbau und die Wiedererrichtung des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Eckturms Schiffbauerdamm 8/Albrechtstr. 13.(71)
Die Bauarbeiten an den Stiftungshäusern werden zum größten Teil abgeschlossen. Seit 1991 hat die Stiftung knapp 27 Millionen DM in die Instandsetzung und Modernisierung der Häuser investiert.(72)
Zusätzlich zur traditionellen Adventsfeier und zur Dampferfahrt organisiert die Stiftung für die Koepjohannitinnen eine Lichterfahrt durch das vorweihnachtliche Berlin. Die Lichterfahrt und andere kleinere Ausflüge werden auch in den kommenden Jahren durchgeführt.(73)
1999
Für das Gebiet der Friedrich-Wilhelm-Stadt wird angesichts der vielen Häusersanierungen, die deutliche Mieterhöhungen erwarten lassen, eine Milieuschutzsatzung erlassen, um die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu erhalten. Seit 1990 hat mehr als die Hälfte der damaligen Bewohner das Wohngebiet verlassen.
Die sechs Kirchengemeinden Sophien, Zion, Golgatha, Gnaden, St. Philippus-Apostel und St. Elisabeth fusionieren zur Großgemeinde Sophien.(74)
2000
Die Höfe der Häuser Albrechtstr. 15/16 werden durch den Bau von kleinen Brunnen verschönert. Die Brunnen stammen von den Bildhauern Jörg Steinert sowie Joachim Karbe.(75)